Gottesdienst im Altenberger Dom, 08.09.2019

   

Gastpredigt von Frau Oberkirchenrätin Barbara Rudolph
aus Anlass des 150. Jubiläums der Evangelischen Domgemeinde Altenberg

 

Liebe Gemeinde,

Ich weiß, es ist der 1. Brief an die Korinther, aus dem wir jetzt einen Auszug hören werden. Aber es könnte auch der 1. Brief an die Altenberger sein. So lese ich jedenfalls heute Morgen den Bibeltext. Ich bin mir fast sicher, der Apostel Paulus wird das mit einem leichten Schmunzeln für gut und richtig halten.

 

Predigttext:

1. Korintherbrief 3, 9-17

 

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichtes wird es an das Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfan-gen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch. Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn je-mand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

eine Gemeinde, die in einem so denkwürdigen Dom ihr 150-jähriges Jubiläum feiert, kann in ganz besonderer Weise als Gottes Bau angesprochen werden.

Sie weiß, was es heißt, wenn von Rettung wie durch ein Feuer hindurch gesprochen wird, denn sie versammelt sich in einem Gebäude, das niedergebrannt und wieder aufgebaut worden ist.

Und sie schaut auf mehr als die Steine, sie selbst ist ein Tempel, in dem der Heilige Geist wohnt.

 

Ihr seid Gottes Bau

Mit einem Rückblick erinnert Paulus daran, wie er die Gemeinde gegründet hat, und bezeichnet sich selbst nicht ganz unbescheiden als weisen Baumeister. Aber schon im nächsten Satz erfahren wir, was er damit meint: Paulus hat angefangen, den Bau aber so konzipiert, dass andere daran weiter bauen konnten. Bis er sich nun an die wendet, die heute Gemeinde gestalten.

Blickt man zurück auf die Geschichte christlichen Glaubens in diesem abgelegenen Tal, dann beginnen die Worte des Paulus zu schwingen. Was für eine eindrückliche Geschichte: Zisterziensermönche haben einst den Grundstein gelegt für diesen Dom, in ein unwirtliches Tal sind sie, wie es ihre Tradition vorsah, gezogen, haben es urbar gemacht, Bewässerungen und Teiche angelegt, Christus an neue unbekannte Orte getragen. Seitdem ist dieses Tal ein durchbeteter Ort.

Nicht nur für Menschen, die hier wohnen, ist er ein geistliches Zuhause geworden, sondern für viele von nah und fern ist er ein Sehnsuchtsort des Glaubens.

 

Und dann diese wunderbare Aufforderung des Paulus:

Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baue.

Der Gründer der Gemeinde tritt zurück, der Anfänger muss nicht der Vollender sein. Er gibt anderen Raum und Chance – und Verantwortung. Ein jeder und jede sehe zu.

Das ist evangelisches Gemeindeverständnis: die Leitung, die Verantwortung ist gelegt in eines jeden Hand, in einer jeden Herz. Als ich die Geschichte des Altenberger Doms las, habe ich gedacht: Wäre es nicht gut, Menschen wie die ersten Mönche zu haben, die frömmer und mutiger sind als ich – wäre es nicht gut, noch Bischöfe und Herzöge zu haben, die sicher leiten könnten in unsicheren Zeiten – wäre es nicht gut, anderen die Verantwortung zu übertragen und sich auf ihre Entscheidungen verlassen zu können?

Während ich noch so denke, schüttelt Paulus den Kopf und sagt mit Bestimmtheit: „Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Nicht umsonst ist dieser Vers sehr bekannt geworden, weil er einem jeden und jeder Halt gibt, jede Generation, jede und jeder hier in der Kirche, alle, die uns verbunden sind, holt Paulus auf diesen festen Grund.

Was immer wir uns im Leben aufgebaut haben, was durch Erschütterung einen Riss bekommen hat, was abgebrochen und als Ruine zurück geblieben ist, unser Lebenshaus trägt sich nicht selber sondern wird getragen, wie auch diese Gemeinde und die ganze Welt.

Ob es uns gelingt, die Welt zu einem Zuhause für alle Menschen, für Tiere und Pflanzen zu machen? Ob es uns gelingt, die Gemeinde zu einem Ort der Begegnung, der Zuflucht und des Aufbruchs zu machen? Unsere Fragen nimmt Paulus auf und sagt: Der Bau hat Zukunft, denn er wird - salopp gesagt - nicht einkrachen, er hat ein stabiles Fundament. Der Grund ist gelegt: Jesus Christus.

Was für eine Zusage in einer Zeit, die verunsichert, in der alles sich verändert - und nicht immer zum Besseren. Paulus hat schon gewusst, was uns heute trägt, und uns im wahrsten Sinne des Wortes einen Grund zum Leben gezeigt.

 

Wie durch ein Feuer hindurch

Dass es kein seichtes Gerede ist, zeigen die nächsten Verse von Paulus. Vom Gericht ist die Rede, vom Feuer. Auch das ist der Altenberger Gemeinde nicht unbekannt. Dieser Dom ist durch Feuer hindurch gegangen, als er 1815 fast völlig niederbrannte und lange eine Ruine blieb, bis er vor mehr als 150 Jahren wieder aufgebaut wurde. Ihr sollt gerettet werden, wie durch ein Feuer hindurch, sagt Paulus.

Diese Bibelstelle ist eine sehr bewegende Auslegung der Rechtfertigungslehre, wie Luther sie später entfaltet hat. Paulus erzählt von der unterschiedlichen Qualität gelungenen Lebens. Es ist nicht gleichgültig, wie jemand lebt: Gold, Silber, Edelstein - Holz, Heu, Stroh. Ach ja, wir kennen Menschen, deren Leben Gold wert ist, aber auch so manchen Holzkopf und Verspre-chen von Menschen, die wie ein Strohfeuer sind.

Und wir kennen uns selbst: Ein bisschen Gold und Edelstein, aber auch - Stroh und Heu. Die Bibel ist klar: Am Tag des Gerichts kommt alles ans Licht. Vielleicht wird dann deutlich, was das Sprichwort sagt: Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Vielleicht wird dann auch deutlich, was wir nicht vermögen: Wir können nicht, wie der Müller im Märchen verspricht, Stroh zu Gold spinnen. Aber bevor ein Rumpelstilzchen um das Feuer tanzt und feixt, versichert Paulus: Ihr werdet gerettet werden, wie durch ein Feuer hindurch.

Im Gericht wird alles offenbar werden. Auch: dass Ihr darauf angewiesen seid, dass Christus Euch trägt und nicht Euer eigener Verdienst, dass Ihr auf dem Grund seiner Erlösungstat steht und nicht auf Euren Leistungen. Das müssen wir uns immer wieder sagen lassen, denn unsere Gesellschaft funktioniert genau anders herum. Da zählt Erfolg, Anerkennung, Ge-sundheit. Darum sind die Gottesdienste so wichtig, das Hören auf Gottes Wort so notwendig, darum ist dieser Dom und seine Gemeinde ein wunderbarer Ort. Hier werden Menschen aufgebaut.

Ich muss sagen: Vor allem wenn ich in diese geschundene und gebeutelte Welt schaue, freue ich mich über die Zusage, dass da ein Gericht ist, vor dem nichts verborgen sein wird. Anteilnahme, beherztes Tun, Zivilcourage genauso wie Ungerechtigkeit, Chancenungleichheit, Gleichgültigkeit, alles wird offenbar – alles wird gerettet, wie durch ein Feuer hindurch.

Was für jeden einzelnen Christen und jede Christin persönlich gilt, was für die Welt gilt, das zählt auch für eine Kirchengemeinde. So manche Querelen hat es in den letzten 150 Jahren gegeben. Ein einfaches Unterfangen ist es nämlich nicht, ein Simultaneum von evangelischer und katholischer Gemeinde in einer Kirche zu leben.

Die Geschichte hat manch ein Kuriosum hervor gebracht. Aber am Ende gilt auch hier: wie durch ein Feuer hindurch! Nicht alles, was die Gemeinde erregt hat oder jetzt bewegt, hat vor der Ewigkeit Bestand.

Das führt, wenn die Worte des Bibeltextes in uns Raum gewinnen, zu einer Gelassenheit, wie es mir die Gemeindepfarrerin sehr einfach verständlich gemacht hat: „Was sind die Streitigkeiten hier im Tal angesichts der Auseinandersetzungen in Nordirland und anderen Teilen der Welt.“

Und ich füge hinzu: Ja, mancher Streit muss ausgefochten werden – aber er muss in Relation gesetzt werden zu der Energie, die wir für andere Dinge brauchen: Gerechtigkeit in den Ländern unserer Partnerkirchen in Asien und Afrika, Frieden in den bekannten und unbekannten Kriegsländern, Bewahrung der Schöpfung für eine Jugend, die die Welt von uns erbt. Da brauchen wir nicht Streit gegeneinander sondern ein Miteinander, um für die wichtigen Dinge gemeinsam zu streiten.

Es ist sehr verheißungsvoll, wie wir – nicht nur mit unseren katholischen Geschwistern son-dern mit der weltweiten Ökumene – zusammen unterwegs sind auf dem „Pilgerweg des Friedens und der Gerechtigkeit“, wie es der Ökumenische Rat der Kirchen sagt.

 

Der Tempel mit Gottes Geist

Das Schönste kommt zum Schluss: Wenn nämlich nicht mehr vom Gebäude aus Steinen die Rede ist, so ehrwürdig, so geschichtsträchtig und so architektonisch wertvoll es auch sein mag. Sondern stattdessen die Gemeindeglieder, die Menschen in den Blick kommen, all die, die sich in dem Gebäude aus Stein zusammen finden, um Gott zu suchen, zu finden und neu aufzubrechen.

„Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?“ Die Gemeinde kommt hier im Altenberger Dom zusammen. Sie betet, musiziert, hört auf Gottes Wort und lässt sich in die Welt senden. Sie ist der lebendige Tempel Gottes.

Aristoteles hat einmal gesagt: „Was um euch wohnt, wohnt sich euch ein.“ Das ist das Geschenk des Altenberger Doms: Er wohnt sich uns ein. Das Gebäude der Kirche macht die Menschen, die sich hier zusammen finden, selbst zur Kirche, zu lebendigen Steinen: zu Gottes Tempel, in dem Gottes Geist wohnt. Und die Gemeinde nimmt das mit hinaus aus den Türen dieser Kirche, in ihren Alltag, in ihre Welt. Tempel Gottes im ganzen Tal und darüber hinaus, Geist Gottes, der weht, wo er will.

Die Gemeinde hat das exemplarisch in Vorbereitung auf das Jubiläum gezeigt. Alle Gemeindeglieder haben, von unzähligen Ehrenamtlichen geschrieben, eine Grußpostkarte vom Altenberger Dom persönlich: Herzlichen Glückwunsch zum 150. Geburtstag!

Damit ist das Geschehen innerhalb des Doms hinausgetragen in Häuser, Straßen und Stätten, die im Schatten des Domes und weit darüber hinaus existieren.

Die Gemeinschaft, die sich hier im Dom versammelt hat, ist gerufen zur Freude an der Kirchengemeinde, die sich seit 150 Jahren versammelt. Und die Freude geht darüber hinaus:

Die Gemeinde ist eingebunden in die Tradition der Zisterzienser, die ökumenische Gemeinschaft und die gemeinsame Hoffnung, dass Dome dieser Welt auf Gottes Reich hinweisen, in dem wir alle, wie durch ein Feuer hindurch, gerettet sind.

Die hier versammelte Gemeinde ist gerufen, aus diesem Dom, so schön, alt und wertvoll er ist, aufzubrechen, hinaus in die Welt. Denn, so beginnt der Text an die Korinther: Wir sind Gottes Mitarbeiter. Und das ist die Tradition der Zisterzienser: Christus an neue Orte zu bringen.

Darum ist dieses Jubiläum ein dankbarer Rückblick und ein hoffnungsvoller Ausblick.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.

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