Zwei Konfessionen unter einem Dach

Der Dom von Osten; Foto: Armin Wolf

In der ursprünglichen Bedeutung bezeichnete der Begriff Simultaneum das Zusammenleben von Katholiken und Reformierten oder Lutheranern in einem Kirchspiel. Die dazugehörige Kirche war die Simultankirche. Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich der begriffliche Inhalt des Simultaneums zur Gleichsetzung mit Simultankirche.

Im eigentlichen Sinn ist der Begriff Simultaneum ein Fachwort des Staatskirchenrechtes aus jener Zeit, als Kirche und Staat noch nicht getrennt waren. Das Simultaneum ist eine öffentlich-rechtliche Festlegung und entwickelte Folgen für den Eigentümer und die Benutzer. Es ermöglichte durch staatliche Hoheit das Schaffen eines Rechtes auf gemeinschaftlichen Gebrauch derselben Kirche durch zwei oder mehrere (christliche) Konfessionen.

In Deutschland gibt es zurzeit 64 simultane Kirchenverhältnisse, die aus den unterschiedlichsten Gründen und zu unterschiedlichen Zeiten begründet wurden. Im 19. Jahrhundert entstanden nur noch sehr selten neue Simultaneen. In der ersten Hälfte des 19. Jh. ließ der preußische Staat bzw. die Familie Hohenzollern kunstgeschichtlich wertvolle Kirchen wieder aufbauen. Weil bei diesen Arbeiten öffentliche Mittel zum Einsatz kamen, legte das Herrscherhaus fest, dass in den sanierten Kirchen Simultaneen einzurichten seien. 

So geschehen auch im und am Altenberger Dom. Als die Abteikirche des ehemaligen Klosters Altenberg durch Brand, Witterungseinflüsse, Plünderung und unsachgemäße Reparaturen zur Ruine geworden war, schaltete sich Friedrich Wilhelm III. ein und ermöglichte mit seinen Geldmitteln den Beginn des Wiederaufbaus. Als 1847 der Altenberger Dom wieder völlig hergestellt war, war dies mit mehr als 70 000 Talern aus der preußischen Staatskasse finanziert worden. Eine geringe Summe kam aus Spenden der Bergischen Bevölkerung.

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Anordnung des Simultangebrauchs durch Kabinettsordres der preußischen Könige von 1834 und 1856

Allerhöchste Kabinettsordre des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. vom 16. August 1834 an die Staatsminister Freiherren von Altenstein und Maassen

Friedrich Wilhelm III.

„Auf Ihren, des Ministers der geistlichen Angelegenheiten Antrag vom 16. Juni c. will ich die Kosten auch zur Wiederherstellung des Chores der Kirche zu Altenberg, zu deren Instandsetzung nach den Veranschlagungen der Ober-Bau-Deputation mit Einschluß des Chors, überhaupt 20 bis 22 000 Thaler, also nach Abzug der durch meine Order vom 26. Oktober v.J. bereits angewiesenen 8200 Thaler bis 13800 Thaler erforderlich sindunter der Bedingung bewilligen, dass die Kirche zum Simultangebrauch auch für das Bedürfnis der in der Umgegend wohnenden Evangelischen gewidmet werde, wonach die Bau-Einrichtung gleich zu regulieren ist und worüber ich besondere Vorschläge erwarte. Die im Ganzen erforderlichen Kosten sind auf drei Jahre zu verteilen und ich überlasse Ihnen, in Gemäßheit dieser Bestimmung weiter zu verfügen.“ 

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Allerhöchste Kabinettsordre des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. vom 15. September 1856

„An den Minister der geistlichen Angelegenheiten.
Die nach Ihrem Berichte vom 11. Mai d. Js. betreffend den Simultangebrauch der wiederhergestellten vormaligen Abteikirche zu Altenberg, von dem Ober-Präsidenten von Kleist-Restow in Antrag gebrachte Beschränkung der evangelischen Gemeinde auf das Langschiff der Kirche mit Überlassung des Querschiffs und des hohen Chores nebst seinen Kapellen und Nebenschiffen an die römisch-katholische Gemeinde würden die Evangelischen zu sehr und selbst mehr zurücksetzen, als wenn ihnen ein eigener Raum an der Nordseite des Querschiffs überwiesen würde. Aus diesem Grunde und da ich nicht willens bin, den nicht anzuerkennenden Prätensionen der Katholischen Geistlichkeit, zum Nachteil der Evangelischen, so erhebliche Zugeständnisse zu machen, nehme ich Abstand darin zu willigen, dass das Querschiff den Katholiken zum ausschließlichen Gebrauch überlassen werde. Vielmehr ist nunmehr auf einen völligen Simultangebrauch der Kirche zu bestehen und die Benutzung derselben unter beiden Gemeinden mit möglicher Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse der Zeit nach zu theilen.“

"Indem Ich Ihnen das Weitere zu veranlassen anheimgebe, erfolgen die Anlagen Ihres Berichts anbei zurück.
Königsberg, den 15. September 1856.

gez. Friedrich-Wilhelm IV.“

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Dank des Erzbischofs von Köln

Ferdinand August von Spiegel

Der Erzbischof von Köln, Ferdinand August von Spiegel, hatte mit Schreiben vom 12.11.1834 gedankt „für die mitgeteilte erfreuliche Nachricht“ und hinzugefügt, „dass gegen den gemeinschaftlichen Gebrauch der Kanzel und des Altars bei dem Simultangottesdienst der beiden christlichen Konfessionen nichts wesentliches zu erinnern sei.“

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Anordnung von 1856 zur zeitlichen Nutzung und Ausgestaltung des Simultaneums

Die Kabinettsordre vom 15.09.1856 wurde dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz mit einem Reskript des Ministers vom 7. Februar 1857 zugeleitet, in dem zu lesen ist:

„Rücksichtlich der Stundenverteilung bewendet es bei dem schon früher zwischen dem Erzbischof und dem königlichen Konsistorio Vereinbarten, nach welchem die Evangelischen die Kirche an Sonn- und Festtagen sowohl als an Wochen- und Werkeltagen vormittags von 8 bis 10 Uhr, und nachmittags von 1 bis 3 Uhr ausschließlich benutzen dürfen, für die ganze übrige Zeit die Kirche aber den Katholischen zur ausschließlichen Benutzung verbleibt. Im übrigen schließt der Allerhöchsten Orts angeordnete Simultangebrauch der Kirche zugleich auch den gleichberechtigten Gebrauch der sämtlichen Pertinenzen (= alles was zur Kirche gehört) des Kirchengebäudes in sich, und glaube ich Ew. Hochwohlgeboren überlassen zu sollen, über die Modalitäten desselben erforderlichen Falles Ihrerseits eine nähere Vereinbarung unter den Beteiligten herbeizuführen.“

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Protokoll zur Umsetzung des Simultaneums (Schlüsselübergabe) am 3. Juli 1857 durch den Staat

Die Niederschrift zur Übergabeverhandlung der Kirche zur Nutzung durch die beiden Gemeinden hat folgenden Wortlaut: 

„Auf erhaltene Einladung waren in dem heutigen Termin die nebenstehend verzeichneten Mitglieder des Gladbacher Evangelischen Presbyteriums und des Odenthaler Katholischen Kirchen-Vorstandes erschienen. Denselben wurde durch den Unterzeichneten Kreis-Landrath Danzler im Auftrage des Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz und der Königlichen Regierung zu Coeln eröffnet, dass des Königs Majestät mittels allerhöchster Ordre vom 15. September v. Js. den völligen Simultangebrauch der wiederhergestellten vormaligen Abteikirche zu Altenberg für den evangelischen und den römisch-katholischen Kultus anzuordnen und zugleich zu bestimmen geruht haben, dass die Benutzung der Kirche unter beide Gemeinden mit möglicher Berücksichtigung ihres Bedürfnisses der Zeit nach geteilt werden solle.
 
Nach näherer Eröffnung von seiten des Kultus-Ministers, sollte es rücksichtlich der Stundenverteilung bei dem schon früher zwischen dem Herrn Erzbischofe von Geissel und dem Königlichen Consistorium Vereinbarten bewenden, wonach die Evangelischen die Kirche an Sonn- und Feiertagen sowohl als an Wochen- und Werktagen vormittags von 8-10 Uhr und nachmittags von 1-3 Uhr ausschließlich benutzen dürfen, für die ganze übrige Zeit die Kirche aber den Katholiken zur ausschließlichen Benutzung verbleibt.

In Vollziehung dieser Bestimmungen, durch welchen die Kirchengemeinden nur den vorstehend normierten Mitgebrauch der Kirche, nicht aber das Eigentum derselben erlangen, übergebe er, der Kreislandrath, den beiden geladenen Vorständen der betreffenden evangelischen und katholischen Gemeinden und zwar einem jeden zwei Schlüsel zu der Haupt- und Nebenthüre der Kirche, in deren Mauern sich gegenwärtige Versammlung befinde, und weise sie hiermit in den Gebrauch derselben ein.

Der Vorsitzende des Gladbacher Presbyteriums, Herr Pfarrer Schütz und der Präsident des Odenthaler Kirchenvorstandes, Herr Pastor Müseler, nahmen hierauf die Kirchenschlüssel in Empfang. Über die vorstehende Verhandlung wurde gegenwärtiges Protokoll aufgenommen, vorgelesen, genehmigt und außer dem Kreislandrath von allen anwesenden Mitgliedern des Presbyteriums und des Kirchenvorstandes unterschrieben. 
Als zur Unterzeichnung des Protokolls geschritten werden sollte, erklärte Herr Pfarrer Müseler, dass der Kirchenvorstand die Kirchenschlüssel Namens und in besonderem Auftrage der Erzbischöflichen Behörde acceptiert habe und der letzteren die weiteren Bestimmungen über den Mitgebrauch der Kirche lediglich anheim stellen müsse. Schließlich erbat sich Herr Pfarrer Müseler Abschrift gegenwärtigen Protokolls.“

....Unterzeichnet durch das Gladbacher Evangelische Presbyterium und den Odenthaler katholischen Kirchenvorstand sowie den Kreislandrath.

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Die Rechtsverhältnisse am Altenberger Dom

Zitat aus einem Schreiben des Kultusministers des Landes NRW an den Erzbischof in Köln vom 23. August 1957

„...Der verantwortliche Staatsbürger fragt sich, was es denn rechtfertigen könnte, daß heute, da Menschen sich nach Frieden sehnen, zwischen den christlichen Kirchen wieder ein Streit um den Dom entfacht wird, zumal nach den durch die Kabinettsordres und das Obertribunal getroffenen Entscheidungen die beiden Kirchen seit hundert Jahren in brüderlicher Eintracht das Altenberger Gotteshaus bewohnt haben....“ 

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Stellungnahme der Landesregierung zur Beschränkung der Gottesdienstzeiten der evangelischen Kirchengemeinde:

„Mit Schreiben vom 25.9.1956 hat das Erzbischöfliche Generalvikariat der Evangelischen Kirchengemeinde in Altenberg mitgeteilt, dass der Dom zu Altenberg von der Evangelischen Kirchengemeinde nur in den festgelegten gottesdienstlichen Zeiten benutzt werden darf und dass die übrigen untergeordneten Zeiten des Kultus, z. B. Orgelspiel und Orgelüben des Organisten, nicht mehr – Abweichung von der bisherigen Praxis – in anderen Zeiten durchgeführt werden könnten. Da durch diese Praxis in der Vergangenheit eine Beeinträchtigung des katholischen Kultus nicht vorlag, war es offensichtlich, dass durch diesen Einspruch der Katholischen Kirche haupt- und vorrangige Rechte am Dom betont werden sollten. Aus dem bestehenden völligen Simultangebrauch der Kirche hat jedoch die evangelische Kirchengemeinde Anspruch, über die Zeiten für den evangelischen Gottesdienst hinaus weitere Zeiten, wie es praktisch bisher immer der Fall gewesen ist, für die übrigen untergeordneten Dienste des Kultus zu beanspruchen. Die Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland und die Evangelische Kirchengemeinde in Altenberg haben deshalb gegen diesen Anspruch der Katholischen Kirche förmlich Einspruch eingelegt, dessen Berechtigung vom Kultusminister bestätigt werden mußte.“

Mitteilung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen Nr. 13 vom 11. Oktober 1957

„Die vom preußischen Staat durch die Allerhöchsten Kabinettsordres vom 16. August 1834 und vom 15. September 1856 geschaffene Ordnung des qualitativ paritätischenSimultangebrauchs am Altenberger Dom wurde durch ein Urteil des Obertribunals in Berlin vom 6. Juli 1869 bestätigt und weiterhin durch die Verträge Preußens mit der Katholischen Kirche von 1929 und mit den Evangelischen Landeskirchen von 1931 bekräftigt. Seit 1869 bis 1952 ist diese Rechtslage von der Katholischen Kirche offenbar nicht öffentlich bestritten worden. Die von der Katholischen Kirche in den Jahren1853 und 1854 vertretene Auffassung, dass der Dom zu Altenberg eine geweihte katholische Kirche geblieben sei und dass die Einräumung eines Mitgebrauchs durch den Preußischen König den Charakter des Domes als einer katholischen Kirche nicht habe ändern können, ist, wie bereits ausgeführt, durch das Urteil des Obertribunals von 1869 widerlegt worden, es sei denn, die Katholische Kirche verträte den Standpunkt, dass alle katholisch geweihten Kirchengebäude, auch wenn sie nach der Säkularisation in das Eigentum des Staates oder der evangelischen Kirche übergegangen sind, katholische Kirchen geblieben seien.“

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